Der Frühaufsteher fängt den Schnee oder so ähnlich.
Mit dem letzten größeren Schneefall habe ich mir eine Skitour mit sehr frühem Start auf die Kampenwand vorgenommen. Spätestens 7 Uhr Aufbruch am Parkplatz. Du fragst dich sicherlich warum so früh? Na wegen dem Powder (aus dem Freeride Jargon: Pulverschnee). Je später man losgeht, umso weniger ist von dem weißen Gold noch übrig, denn die anderen Skifahrer:innen haben dann bereits ihre Spuren in den Tiefschnee gezogen.
Nach langem Abwägen – die Nacht hat dank Baby nicht so viel Schlaf gebracht und die Wetterberichte waren sich uneins über die vorhergesagten Schneemengen – konnte ich mich überwinden und bin losgestapft.
Ich war natürlich nicht die einzige mit dem Frühstart und so kam es, dass mich hin und wieder andere Skitourengeher (absichtlich nicht gegendert, denn es waren tatsächlich ausschließlich Männer unterwegs) einholten und schließlich überholten.
Und da ging es natürlich los… die sind alle viel besser, schneller, fitter, … als ich.
Die waren alle freundlich, haben nett einen „Guten Morgen“ gewünscht, es war niemand abwertend. Ich wertete mich gedanklich selber ab. Machte meine Leistung schlechter als sie war.
Doch wer sagt denn überhaupt, dass es bei einer Skitour um Leistung geht. Vielleicht hat der, der mich überholt hat, die schnellere Zeit auf der Pulsuhr, aber deswegen ja nicht zwingend das schönere Erlebnis. Vielleicht läuft er sich gerade Blasen an den Fersen und kann weder die aufgehende Sonne, noch den Schnee genießen.
Vielleicht hat er sich mit seinem/r Partner/in gestritten und hat den Kopf voller Sorgen. Vielleicht steht in der nächsten Arbeitswoche ein kompliziertes Gespräch mit seinem Chef an und er muss sich gerade auspowern, um den Kopf frei zu kriegen.
Es gibt so viele unterschiedliche Wege, wie und warum man eine Skitour um 7 Uhr morgens geht, da ist die Zeit, die man zum Gipfel benötigt, völlig nebensächlich.
Und bei all dem Vergleichen mit den Menschen habe ich total vergessen, dass ich trotzdem immer noch „besser“ bin, als all die, die sich gerade ein zweites Mal in ihrem kuschligen, warmen Bett umdrehen.
Ich bin aufgestanden. Ich habe Sport gemacht. Ich war an der frischen Luft. Ich komm glücklich und ausgeglichen zum Frühstück zurück, egal ob ich fünf Minuten länger oder nicht gebraucht hab. Ich hab allen, die es nicht aus den Federn geschafft haben, schon einiges voraus.
Das soll jetzt keine Einteilung in gut oder schlecht je nach Frühsport sein, sondern einfach die liebevolle Erinnerung, dass wir uns nur allzu leicht mit Menschen vergleichen, die vermeintlich besser sind und dabei gerne vergessen, dass
- Diese „besseren“ Menschen auch ihr Päckchen zu tragen haben und dass eine sportliche Leistung oder das höhere Gehalt oder die schlankere Figur oder oder oder nichts über die Lebensqualität oder die Fähigkeit zu erleben und zu genießen aussagen.
- Wir beim Vergleichen durchaus positiver als die „besseren“ Menschen abschneiden, wenn wir einen anderen Maßstab oder einen anderen Rahmen als Referenz ziehen.
Es wird immer jemanden geben, der oder die etwas besser oder schlechter kann, der oder die mehr oder weniger verdient, der oder die hübscher oder weniger hübsch ist.
Doch all diese Bewertungen und Vergleiche sagen absolut gar nichts über deinen Wert aus. Du bist wertvoll, egal ob du morgens Sport machst oder im Bett liegen bleibst. Du bist großartig, egal ob du dir die neuen Schuhe leisten kannst oder nicht. Du bist einzigartig, egal ob du eine schiefe oder eine gerade Nase hast.
Daran dürfen wir uns beim nächsten Vergleich ruhig erinnern.
|